Die MVG beschaffte 2009 einen neuen Tramtyp. Vier Züge der Variobahn wurden zunächst bei der Firma Stadler in Berlin bestellt. Damit sollten die letzten der fast 40 Jahre alten P-Wagen ersetzt werden. Für weitere 18 Fahrzeuge wurde eine Option vereinbart. Der Ersatz war bereits seit langem erwartet worden. Allerdings tat man sich damit sehr schwer. Ursprünglich sollten weitere Fahrzeuge des Typs R3.3 gekauft werden. Eine Kleinserie zu erwerben wäre allein für München zu teuer geworden, weshalb man bei anderen Verkehrsunternehmen erfolglos um eine Beteiligung warb. Zuletzt hatte man auf Potsdam gesetzt, das eine Münchner R3.3-Tram zum Test erhielt. Dort war man zwar sehr zufrieden, doch eine erste Bestellung wäre erst einige später Jahren möglich gewesen. Das war zu spät für München, da die Unterhaltskosten für die P-Züge stetig stiegen, zumal weitere Hauptuntersuchungen anstanden.
Die MVG entschied sich für die Variobahn, da hier Nürnberg als Partner zusagte und sie bereits bei mehreren europäischen Betrieben eingesetzt wurden.
Die niederflurigen Fahrzeuge sind fünfteilig und bieten Platz für ca. 220 Fahrgäste. Diese Kapazität haben auch die R3.3-Wagen. Die Variobahn ist bis zu 70 km/h schnell und erhält die silber-blaue Lackierung der neuesten Fahrzeuggeneration (Typ R3.3).
Die vier ersten Wagen werden ab Anfang 2009 geliefert. Weitere zehn kommen ab ca. 2011 dazu. Damit wird auch der zusätzliche Fahrzeugbedarf wegen der stetig steigenden Fahrgastzahlen und für die neue Strecke Effnerplatz – St. Emmeram gedeckt. Die letzten drei verbliebenen P-Züge sollten bereits mit der Lieferung der vier ersten Wagen verschwinden. Ursprünglich sollten durch die Optimierung im Betriebshof die Werkstattaufenthalte kürzer und so die Wagenreserve kleiner werden. Dadurch wäre, so der Plan. der Bedarf an drei Wagen für die Tram 23 (Münchner Freiheit – Parkstadt Schwabing) aus dem Bestand erwirtschaftet worden. Der große Fahrgastanstieg zwang die MVG aber zum Umdenken. Daneben stand damals die sukzessive Modernisierung der R2.2-Wagen an. Einige dieser Züge waren deshalb stets für einige Zeit in der Werkstatt. Die P/p-Züge blieben damit noch viel länger als geplant bis 2020 im Einsatz. 2011/12 wurden weitere zehn Variobahnen geliefert. Mit der Inbetriebnahme weiterer Strecken sollten weitere bis zu acht Züge aus der Option gekauft werden.
Die Detailplanungen der Außenansicht waren durch die weitgehenden Vorgaben des Herstellers eingeschränkt. Variationen waren lediglich bei der Kopfform und im Innendesign möglich. Die Variobahnen wurde innen wie außen im MVG-Design gestaltet. Die Frontscheibe ist steil und zweidimensional gehalten, damit die Fahrer eine optimale Sicht haben und die Zielanzeige gut lesbar ist. Die Bugschürze ist entsprechend weit vorgezogen, um etwaige Unfallfolgen abzumildern. Am 11.03.2009 traf die erste Variobahn im Betriebshof 2 an der Einsteinstraße ein und wurde am 19. März 2009 der Öffentlichkeit vorgestellt. Vom 03.12.2009 bis 18.07.2010 waren die ersten drei Wagen mit einer vorläufigen Genehmigung im Liniendienst.
Die endgültige Zulassung der Variobahnen durch die Technischen Aufsichtsbehörde (TAB) bei der Regierung von Oberbayern verzögerte sich wegen fehlender Nachweise des Herstellers und deren Bewertung durch den beauftragten Gutachter . Die Zulassung neuer Fahrzeuge erfolgt nach der Bau- und Betriebsordnung für Straßenbahnen (BOStrab) nebst ergänzender technischen Regeln und Normen. Danach muss jedes einzelne Schienenfahrzeug für das Netz, auf dem es eingesetzt werden soll, zugelassen werden. Auslöser war die der fehlende theoretischen Nachweis für die vollständige Einhaltung des Lichtraumprofils. Das heißt, die Fahrzeuge dürfen sich auf der Strecke bei Begegnungen nicht gegenseitig berühren. Der praktische Nachweis dafür war längst erbracht. Zur endgültigen Abnahme und Zulassung durch die TAB musste jedoch der rechnerischer Nachweis mit Bestätigung durch den Gutachter vorliegen. Am 11.12.2011 wurde die Betriebsgenehmigung endlich vorläufig bis 31.03.2012 erteilt. Die Genehmigung wurde – nach zusätzlich bei den Rädern aufgetretenen Problemen – anschließend bis 31.08.2012 verlängert.
Ein Ende Juni 2012 vom Hersteller vorgelegtes Gutachten beinhaltete die Vermutung, dass die Gummikörper in den Rädern selbst bzw. deren Herstellungsprozess Ursache des Problems gewesen sein könnten. Ein danach von der Fa. Stadler vorgelegtes Gutachten bestätigte Fehler in der Zusammensetzung der Gummielemente und bei deren Herstellung als Ursache Stadler ließ daher neue, veränderte Gummielemente herstellen. Der Gutachter empfahl allerdings weiterhin, Fahrzeuge mit Rädern, die mit den neuen Gummielementen ausgestattet sind, zunächst über einen längeren Zeitraum, darunter auch eine Winterperiode, zu testen. Stadler hatte daher die Räder der Variobahnen mit den neuen Gummielementen ausgestattet. Als Konsequenz verlängerte die TAB die vorläufige Zulassung bis 31.05.2013 mit Auflagen hinsichtlich der Umrüstung und der regelmäßigen Kontrolle der Räder durch die Fa. Stadler .
Nach Software-Änderungen an Türen und Klimaanlagen wurde die vorläufige Zulassung bis 30. September 2013 verschoben. An diesem Termin wurde die Variobahn endgültig für die Linien 19, 20, 21 und 22 zugelassen, später aber auf die Linien 19 und 22 beschränkt. Am 10. Mai 2016 erhielten die S1 die Zulassung auch für die Linien 17, 27 und 28.
Die MVG entschied sich gegen ihre Option auf weitere acht Züge der Baureihe S und gab stattdessen am 28. September 2012 bekannt, dass sie stattdessen Züge des Typs Avenio (Baureihe T) bei Siemens bestellt habe.
Die Probleme rissen leider nicht ab, denn am 12. 12.2014 wurden im Zuge der Wartung Risse auf der Unterseite der Wagenkästen von sieben Wagen entdeckt, die danach außer Betrieb gesetzt wurden. Ursache war nach Feststellung der Stadler Rail jeweils eine fehlerhaft ausgeführte Schweißnaht. Die anderen sechs Züge zeigten keine Auffälligkeiten Die TAB ordnete zum 07.01.2015 an, dass auch die Fahrzeuge ohne Schaden aus dem Betrieb genommen werden mussten. Die Schweißnähte konnten bis Mai 2018 erneuert und anschließend die Fahrzeuge wieder im Liniendienst eingesetzt werden.
Akkutram
Eigentlich sollte Wagen 2304 mit Akkumulatoren und Spezial-Kondensatoren ausgerüstet werden. Mit der Akkutram sollten die Möglichkeiten einer Durchquerung des Englischen Gartens ohne Fahrleitung erprobt werden. Die frühere Planung scheiterte letztlich vor dem Verwaltungsgerichtshof an der Oberleitung (siehe Linie 22 – Nordtangente). Zur Umrüstung durch die Herstellerfirma Stadler wurde am 06.05.2010 dann aber Wagen 2301 geschickt, da er ohnehin wegen eines Türschandens zur Reparatur musste. Grundsätzlich sind alle Variobahnen auf den Einbau der Akku- und Supercapausrüstung vorbereitet. Die spätere Umrüstung ist daher auch nachträglich problemlos möglich.
Wagen Nr. 2301 fuhr am 25.05.2011 auf einer Teststrecke in Velten bei Berlin unter notarieller Aufsicht und gutachterlicher Begleitung 16 km ohne Oberleitung. Ein neuer Weltrekord! Die Stadtwerke München (SWM) haben den Zug für die MVG mit einer Hochleistungsbatterie ausstatten lassen. Die 380 kg schwere Batterie erfüllt alle Anforderungen, die sich aus der Münchner Streckencharakteristik ergeben. Berücksichtigt wurden unter anderem die Länge der fahrleitungslosen Strecke durch den Englischen Garten (ca. 1 km), ein Haltestellenaufenthalt, ein weiterer ggf. erforderlicher betrieblicher Stopp, jeweils mit Bremsen und Anfahren, sowie die Topographie.
Ausgelegt ist die Batterie zudem darauf, dass die Trambahn diesen Abschnitt nicht nur einmal, sondern zweimal ohne Nachladen bewältigen könnte, wenn ansonsten unter Fahrleitung gefahren und eine Wiederaufladung des Speichers ermöglicht wird.
Gelenktriebwagen S1.4 | Gelenktriebwagen S1.5 | |
Nummer | 2301-2304 | 2311-2320 |
Fahrzeugart | Fünfteiliger Niederflur-Gelenk-Tw | Fünfteiliger Niederflur-Gelenk-Tw |
Anzahl | 4 | 10 |
Baujahr | 2009 | 2011-2012 |
Motoren/Leistung | 8×45 kW | 8×45 kW |
Geschwindigkeit | max. 70 km/h | max. 70 km/h |
Länge | 33,9 m | 33,9 m |
Hersteller | Stadler, Berlin | Stadler, Berlin |
Elektrische Ausstattung | Stadler, Berlin | Stadler, Berlin |
Fahrgestell | Stadler, Berlin | Stadler, Berlin |
Kapazität | 75 Sitz- und 146 Stehplätze | 75 Sitz- und 146 Stehplätze |
Bemerkungen | Sechs Achsen, 100% Niederflur; Wagen 2301 mit Akku für oberleitungslosen Betrieb ausgestattet | Sechs Achsen, 100% Niederflur |